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7. November 2011
An den Premierminister des Staates Israel
Herrn Benyamin Netanyahu
(gekürzte Übersetzung; Original: www.juedisches-forum.de)
Sehr geehrter Herr Premierminister,
in Ihrer Ansprache an die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 23. September 2011 drückten Sie Ihren Wunsch aus, Ihre Hand zum Frieden auszustrecken. Da Sie sagten, Sie täten dies "im Namen des jüdischen Volkes" welches wohl auch uns einschließt, fühlen wir uns eingeladen, Ihre Rede zu kommentieren.
Sie erwähnten, dass "Israel seit seiner Gründung vor 63 Jahren seine Hand zum Frieden ausstreckt". Leider entspricht dies nach unserer Ansicht nicht den historischen Tatsachen. Im Gegenteil, anstatt den Ratschlägen von hervorragenden Intellektuellen wie Martin Buber, Hannah Arendt, Yeshayahu Leibowitz und anderen zu folgen, welche sich für eine Versöhnung mit der "arabischen Bevölkerung" einsetzten, und entgegen den politischen Absichten führender Zionisten wie Moshe Sharet, Chaim Weizmann und Nahum Goldmann, entschied sich die politische Führung Israels für eine kriegerische Lösung mit der beabsichtigten und unbeabsichtigten Zerstörung der palästinensischen Gesellschaft.
Sie sagten, dass “Frieden in Sicherheit verankert sein muss“. Wir teilen zwar die Sorge um die Sicherheit Israels, wissen aber zugleich, dass Frieden nie gesichert werden kann, wenn die Gefühle, das Leiden und die Sehnsucht unserer Gegner außer Acht gelassen werden. Frieden muss in Mitgefühl und Respekt verankert sein.
Sie sagten, dass “die Palästinenser sich bisher geweigert haben zu verhandeln“. Die palästinensische Seite hat mit Vertretungen Israels seit mehr als zwanzig Jahren verhandelt und ist nach wie vor bereit dies zu tun (obwohl das fragliche Gebiet bereits auf 22% des ursprünglichen Palästinas geschrumpft ist). Ausserdem sind die Palästinenser mit der Tatsache konfrontiert, dass die verbleibenden unzusammenhängenden Gebiete von israelischen Siedlungen umschlossen sind, die nicht nur auf Grund des Völkerrechts illegal sind, sondern auch die Errichtung eines lebensfähigen palästinensischen Staates verunmöglichen. Deshalb ist das Beharren der Palästinenser auf einem unverzüglichen Stopp des Siedlungsbaus mehr als verständlich, da sonst weitere Verhandlungen sinnlos sind.
Sie sagten, dass die israelische Seite sich “2005 aus jedem Zoll von Gaza zurückzog“. Aber nach wie vor werden wesentliche Teile von Gaza besetzt gehalten, so die Souveränität über den Luftraum und das Meer, wodurch jegliche wirtschaftliche Entwicklung verhindert wird. Israel lässt die Bevölkerung verarmen, indem Fischerei, landwirtschaftliche wie industrielle Arbeit in weiten Gebieten verunmöglicht wird, indem Infrastruktur nicht wieder aufgebaut werden kann und dadurch eine gesunde Entwicklung zum Frieden ganz allgemein verhindert wird. Deshalb kann der Rückzug aus Gaza nicht “ein mutiger Schritt zum Frieden“ genannt werden.
Sie sagten, “an Stelle von Frieden erhielten wir Krieg“. Es stimmt, dass tausende Raketen von Gaza auf israelisches Gebiet abgeschossen wurden. Es stimmt aber ebenso, dass die Gelegenheit zu einer Erweiterung des Waffenstillstands nicht wahrgenommen wurde. Stattdessen griff die israelische Armee Gaza an und hinterließ mehr als tausend Tote und ein Vielfaches an körperlich und seelisch Verwundeten - und schuf damit eine neue Brutstätte für Hass und Rachegelüste.
Trotz alledem verbleibt eine Aussicht auf Frieden. Wir glauben, dass Frieden sowohl in kleinen wie in grossen Schritten erreicht werden kann und muss. Einige von uns waren an der Mission des jüdischen Bootes Irene beteiligt. Irene (der Name bedeutet übersetzt ‚Frieden‘) wollte ein kleines Friedenszeichen nach Gaza bringen. Die Freigabe des beschlagnahmten Bootes mag als ein kleiner Schritt erscheinen. Es würde sofort ein grosser Schritt daraus, wenn dies beispielsweise mit der aufrichtigen Bitte um Vergebung für all die Ungerechtigkeit und das Leiden verbunden wäre, welche die jüdische Seite der arabischen zugefügt hat, angefangen mit der Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung 1947/48 und fortgeführt bis zum heutigen Tag. Ein solcher 'unilateraler' erster Schritt könnte die andere Seite dazu bringen, einen weiteren Schritt zu tun, beispielsweise hinsichtlich der Selbstmordattentate. Eine Seite muss den Anfang machen - die stärkere.
Mit freundlichen Grüssen,
i.A. für das Forum
Ruben Frankenstein Margalith Pozniak Jochi Weil-Goldstein
mehr: Jüdisches Forum für Frieden
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