Donnerstag, 1. Juli 2010

Henryk M. Broder, Die einzigwahre Fragestellung

Schön, dass sich "Sportsfreund" Henryk M. Broder anders als noch 2006 in Sachen WM zurückhält. Leider muss ich jetzt meine WM-Freizeit kurz unterbrechen. In seiner Post "Forscher im freien Fall" stellt Henryk M. zum wiederholten Male mit gebotener Dringlichkeit die einzigwahre Frage hinsichtlich des Antisemitismus.
Die falsche Frage ist: WARUM werden die Juden verfolgt?
Die richtige Frage ist: Warum werden die JUDEN verfolgt?
Ich kann sehr gut verstehen, dass Henryk M. diese Frage nicht kostenlos beantworten will, sondern die Forscher des ZfA, deren Antisemitismusforschung sich in einem "erbärmlichen Zustand" befinde, auffordert, sich dadurch zu rehabilieren, dass sie endlich dieser einzigwahren Frage nachgehen.
Wir dürfen allerdings davon ausgehen, dass Broder weiss, warum er die Fragestellung korrigiert.  Die Frage kann nur dann richtig beantwortet werden, wenn es sich um ein Unterscheidungskriterium handelt, das nur den JUDEN und ausschließlich den JUDEN zukommt.
Solange Henryk M. sich bescheidet, die Frage in den Ring zu werfen und sie nicht zu beantworten , müssen wir uns mit dem einen oder anderen Fingerzeig begnügen. In seinem bahnbrechenden Werk "Kritik der reinen Tolleranz" hat Henryk M. auf Seite 51f gefragt und die Richtung angegeben:
"Warum werden die Juden gehasst? Warum nicht die Zuckerbäcker, die Linkshänder oder die Radfahrer? ... Diese Fragen sind mit dem üblichen Instrumentarium der Vorurteilsforschung, der Psychologie und der Soziologie nicht zu beantworten. Eher mit Angeboten aus dem Bereich der Theologie." (S. 51f)
Beispielhaft hat dies sein Alter Ego, der legendäre "Lehrer aus Leipzig Walter Schmidt", vorgeführt:
"Anstatt sich zu fragen, warum es nicht nur einen “islamisierten”, sondern einen originär muslimischen bzw. islamischen (!) Antisemitismus gibt, der bereits auf das 1. Buch Mose in der Thora, nämlich auf den Streit zwischen Jakob und Esau im Bauch Rebekkas, zurückgeht und ..." (Fettdruck durch mich, Quelle: Achse des Guten, 13.12.2008) 
Nun ist diese grundlegende Darstellung zwar falsch - in der Bibel wird eine andere Ursprungsgeschichte erzählt, nämlich die von Itzchak und Ismael -, aber das ist irrelevant; wenn Manuel Neuer einen klaren Torschuss annulieren und das Schlachtenglück wenden kann (corriger la fortune), kann auch "Walter Schmidt" den originär islamischen Antisemitismus aus dem Bauch Rebekkas herausholen. Noch einen Fingerzeig von Henryk M.
"Kürzlich habe ich mit dem Chef der Historischen Kommission im Vatikan gesprochen. Der strenge katholische Theologe und der säkulare Jude waren sich einig, dass die Juden tatsächlich das auserwählte Volk sind. Das beste Beispiel ist der Antisemitismus. " (Quelle: Berner Zeitung, 8.2.2007)


Im Anschluss an diese Prolegomena einer einziggültigen Antwort auf Broders einzigwahre Frage will auch ich ein Schärflein beitragen, das mutmaßlich mindestens so valide ist wie die Broderschen "Spekulationen" ("Weil aber sowohl [sic!] die Volkswirtschaft wie [sic!] die Psychoanalyse ebenfalls spekulative Disziplinen sind, deren Vertreter retrospektiv immer die richtigen Voraussagen treffen, will auch ich mir eine begründete Spekuation erlauben.“ Kritik der reinen Toleranz, S. 213 f, sic: Broder beherrscht die deutsche Sprache nach Belieben). Wenn Religion und Glaube hauptsächlich in einem credo quia absurdum mit all seinen süssen und verführerischen Reizen und all seinen schrecklichen Zumutungen besteht, dann gibt es kein Volk, das dem Absurden näher steht als die JUDEN, die mit großen Buchstaben geschrieben werden.

Wenn z.B. die Christenmenschen Bernd Dahlenburg und Herbert Eiteineier nicht mehr an die Verheissungen Jahwes an sein Volk, an den Brith (Bund) glauben könnten, wären sie Artisten in der Zirkuskuppel ohne Netz und gottverlassene arme Schwäne vor dem geistigen und psychischen Abgrund. Das wäre mehr als ein Kehraus, das wäre Nichtung, Heulen und Zähneknirschen. Die  Ressentiments, die dann gären würden, will ich mir nicht ausmalen. Mir scheint, der einzige Weg zur geistigen Gesundung ist eine schwer errungene Bejahung eines deus absconditus zusammen mit einem wehmütigen, aber beherzten Adieu gegenüber allen Vorstellungen von Offenbarungen. Die Brodersche Lösung, nicht an Gott zu glauben, aber daran, dass er zu einem auserwählten Volk gehört, ist eine Farce, ein Kasperletheater, bei dem er vor dem Teufel den Schwanz einzieht und mit wachsender Begeisterung auf Krokodile einschlägt.

Ich finde die Situation sehr unbefriedigend. Dass Broder die Antwort, die er kennt, nicht extemporiert, ist so ungeheuerlich und so deprimierend, wie wenn Charles Darwin seine revolutionären Erkenntnisse über die Entstehung der Arten oder Sigmund Freud seine revolutionären Entdeckungen des Unbewußten für sich behalten hätten. Die Frage, die Broder stellt, ist ja eine Frage auf Leben und Tot, nicht eine exquisite intellektuelle Herausforderung wie der Satz des Fermat, der sich die Randbemerkung erlauben konnte "Cuius rei demonstrationem mirabilem sane detexi. Hanc marginis exiguitas non caperet (Ich habe hierfür einen wahrhaft wunderbaren Beweis gefunden, doch ist der Rand hier zu schmal, um ihn zu fassen).“  Broder, ich bitte Sie um Ihr Chef Oeuvre. Machen Sie endlich das Maul auf.

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