Ausnahmen bestätigen die Regel. Hannes Stein - Sie wissen, das ist die schöne Seele, der sensible Philosoph bei den Einzigwahren Freunden Israels, Kostproben hier, hier und hier) - räsoniert über den Atomkrieg
Nukleare Abschreckung: Atomkriege kann man denken - aber auch führen?
Klar, Atomkriege kann und muss man auch führen, Hannes Stein zeigt uns in seiner Besprechung des Buches
Ron Rosenbaum: "How the End Begins. The Road to a Nuclear World War III", Simon & Schuster, 304 Seiten, 28 Dollar
wann, warum und wie ein nuklearer Erstschlag moralisch geboten und erlaubt sein kann mit der gebotenen Nüchternheit und Sorgfalt. Ron Rosenbaum ist, so Hannes Stein,
"Als Autor für dieses Thema ist Rosenbaum jedenfalls prädestiniert: Aus seiner Feder stammt auch ein Bestseller über die verschiedenen (oft ziemlich aberwitzigen) Versuche, Hitler zu erklären [...] Ron Rosenbaum ist ein Mann mit Sinn für Subtilitäten, für Nuancen, Paradoxien und Zwischentöne. Diesen Feinsinn benötigt dringend, wer sich auf das Gebiet des Atomkrieges vorwagt, denn hier herrscht verwirrendes Zwielicht."
Wie gesagt, die Überlegungen, die uns Hannes Stein vorstellt, sind sorgfältig und sehr gewissenhaft, zeugen von tiefem moralischen Ernst; erörtert werden ein Moralisches Dilemma der atomaren Abschreckung und Moralische Paradoxien des nuklearen Krieges. Letztere bestehen darin - Hannes Stein zitiert und übersetzt:
"Moshe Halbertal [Talmudforscher und Experten für militärische Ethik] meint dazu
ganz kategorisch Folgendes: "Du darfst dein Leben nicht auf Kosten
unschuldiger Menschen retten, auf die du zielst." Ein atomarer Bluff sei
erlaubt, alles Weitere unter keinen Umständen (auch nicht im Fall eines
Atomkrieges) gestattet: "Ich bin gegen einen Vergeltungsschlag." Aber
das ist nicht die ganze Enthüllung. Das dicke Ende kommt sozusagen noch.
Gleich danach sprach Halbertal seinem Gesprächspartner nämlich aufs
Tonband: "Es könnte eine Situation geben, in der die einzige Chance,
einen nuklearen Angriff auf Israel zu verhindern, darin bestünde, den
iranischen Staat zu zerstören.
Damit meine
ich: Man müsste seine Fähigkeit zerstören, als ein Staat zu handeln. Und
hier – so merkwürdig es ist, das zu sagen – wäre das beinahe ein Fall
des kollateralen Tötens von Zivilisten. Dies würde nicht auf unschuldige
Zivilisten zielen, es ist nicht Hiroshima und Nagasaki. Es könnte gegen
Atomlaboratorien, gegen Fabriken, gegen Reaktoren gerichtet sein, was
auch immer sie haben. Oder gegen den Staatsapparat, der notwendig ist,
um so etwas anzuordnen und herbeizuführen."Die Überlegungen fasst Hannes Stein so zusammen (da ich das Buch nicht gelesen habe, weiß ich nicht, ob diese Interpretation zulässig ist):
"Mit anderen Worten: Ein Gegenschlag wäre immer verwerflich. Aber ein gut gezielter nuklearer Erstangriff, bei dem unweigerlich auch Nonkombattanten umkommen würden, könnte unter bestimmten Umständen moralisch erlaubt sein – um noch Schlimmeres zu verhindern, um die Zahl der Opfer auf beiden Seiten möglichst gering zu halten."
Nun ja, gut gezielter atomarer Erstangriff. Ich hatte es nicht für nötig gehalten, in der Debatte über das Grass-Gedicht Was gesagt werden muss mitzutönen. Ich fand Grassens implizite Unterstellung eines nuklearen Erstschlags Israels gegen den Iran falsch, da ich bisher immer davon ausgegangen bin, dass es den Israelis darum geht, mit einem militärischen nicht atomaren Schlag die Entwicklung einer iranischen Atommacht zu stoppen. Nach der Aufklärung durch Hannes Stein muss ich diese Ansicht möglicherweise revidieren.
Ich muss auch gestehen, dass es mir auf den Sack geht, wenn die Besatzungspolitik Israels oder ein nuklearer Erstschlag gegen den Iran ganz skrupulös, unter Abwägung aller moralischen Gesichtspunkte, Dilemmata und Paradoxien durchgeführt oder erwogen wird. Henryk M. Broder wirft den Deutschen zuweilen vor, dass sie Exportweltmeister der Moral sind, Weltmeister der Moral sind die Israelis.
1 Kommentar:
Schön, von Ihnen zu lesen. Ihr Dasein im Stand-by-Modus, das kenne auch ich, wenn auch nicht so sehr auf der konzeptionellen Ebene. Aber wenn die Zeit einem, wie in meinem Fall, von einer sechs Monate alten Zauberfee eingeteilt wird, ist es ein Luxus, zu bloggen.
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