Mittwoch, 19. Oktober 2011

Political Correctness

Warum ist nicht korrekt, dass Susan Sarandon den Papst einen Nazi genannt hat?

"Denn da lief die Empörungsmaschine schon auf Hochtouren. Die Katholische Liga nannte Sarandons Bemerkung schamlos und unterstellte ihr, bewusst Tatsachen zu verdrehen. Die jüdische Anti-Diffamierungsliga forderte Sarandon auf, sich bei der katholischen Kirche zu entschuldigen. "Sarandon mag Probleme mit der katholischen Kirche habe", sagte ein Sprecher, "das ist aber nicht Grund genug, mit Nazi-Vergleichen um sich zu werfen. Sie schmälern das Andenken an den Holocaust."
Sarandons Bemerkung hat einen ernsten Hintergrund: Als Papst Benedikt noch Joseph Ratzinger war und ein Teenager, war er für einige Zeit Mitglied der Hitler-Jugend - ein Umstand, der lange bekannt und oft diskutiert ist." (Quelle)

Merke: Nicht weil Susan Sarandon den Papst als essentiellen Nazi (einmal Nazi, immer Nazi) diffamiert hat, sondern weil dadurch das Andenken an den Holocaust geschmälert wurde.

Montag, 17. Oktober 2011

Slavoj Zizek, Ideologische "Vermenschlichung"

"Unser inneres Erleben, die Geschichte, die wir über uns selbst erzählen, um unser Handeln zu erklären, ist eine Lüge unseres Geistes - die Wahrheit liegt außerhalb, in dem was wir tun. ... 
Diesselbe Strategie der ideologischen "Vermenschlichung" ... ist auch eine Schlüsselkomponente der ideologischen (Selbst-)Darstellung der israelischen Streitkräfte. Die israelischen Medien gehen gerne ausführlich auf die Unvollkommenheiten und psychischen PÜrobleme deer israelischen Soldaten ein und stellen sie weder als perfekte Kampfmaschinen noch als übermenschliche Helden, sondern als ganz normale Menschen dar, die, gefangen in den Traumata der Geschichte und des Krieges, Fehler begehen können und die Orientierung verlieren können, wie jeder andere auch. Als etwa die israelische Armee im Januar 2003 das Haus der Familie eine mutmaßlichen "Terroristen" zerstörte, ging sie mit betonter Liebenswürdigkeit vor und half der Familie sogar noch, ihre Möbel aus dem Haus zu schaffen, bevor sie es mit dem Bulldozer planierte. Kurz zuvor hatte die israelische Presse über einen ähnlichen Vorfall berichtet: Als ein israelischer Soldat ein palästinensisches Haus nach Verdächtigen durchsuchte, rief die Mutter ihre Tochter bei Namen, um sie zu beruhigen, und der verdutzte Soldat musste feststellen, dass das verschreckte Mädchen genauso hieß wie seine eigene Tochter; in einem Anfall von Sentimentalität zückte er seine Brieftasche und zeigte ihr Bild der palästinensischen Mutter. Die Falschheit einer solchen Empathiegeste ist leicht zu erkennen: die Vorstellung, dass wir trotz aller politischen Differenzen doch Menschen mit denselben Vorlieben und Sorgen sind, neutralisiert die Wirkung dessen, was der Soldat tatsächlich gerade tut. Die einzig richte Antwort der Mutter müsste also lauten: "Wenn Sie wirklich ein Mensch sind wie ich, warum tun Sie dann, was Sie gerade tun?" Der Soldat kann sich dann nur noch auf seine verdinglichte Pflicht berufen: "Es gefällt mir nicht, aber es ist meine Pflicht ..." und so der subjektiven Annahme seiner Pflicht entgehen. Vermenschlichungen dieser Art sollen die Kluft verdeutlichen, die zwischen der komplexen Realität der Person und der Rolle, die sie entgegen ihrer wahren Natur spielen muss, herrscht. "In meiner Familie liegt das Militärische nicht in den Genen", sagt einer der interviewten Soldaten, der zu seiner eigenen Überraschung Karrieresoldat geworden ist, in Claude Lanzmanns Film Tsahal. ...
Eine Schlüsselszene gegen Ende des Films, in der Lanzmann mit einem israelischen Bauunternehmer diskutiert, beschreibt Maslin so:
"Wenn die Araber wissen, dass es hier bis in alle Ewigkeit Juden geben wird, werden sie lernen, damit zu leben", behauptet dieser Mann, dessen neue Häuser auf besetztem Gebiet gebaut werden. Hinter ihm arbeiten eifrig arabische Handwerker, während er redet. Als er mit den heiklen Fragen konfrontiert wird, die der Siedlungsbau aufwirft, verstrickt sich der Mann in Widersprüche und schaltet auf stur. "Dies ist das Land Israel", beharrt er immer dann, wenn Mr. Lanzmann, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Verhältnis des israelischen Volkes zu seinem Land zu erforschen, eine der Fragen stellt, auf die es keine Antwort gibt. Schließlich gibt der Regisseur die Diskussion auf, lächelt philosophisch und umarmt den Bauunternehmer. In diesem Moment bringt er all die Wehmut und die Frustration, die in Tsahal zu sehen sind, zum Ausdruck, und er schafft dies in einer einzigen Geste." (Janet Maslin, "Tsahal; Lanzmann´s Meditation On Israel´s Defense", in: New York Times, 27. Januar 1995)
Würde Lanzmann auch den arabischen Handwerker im Hintergrund philosophisch anlächeln und umarmen, wenn dieser im Interview in wütende Raserei gegen die Israelis ausbrechen würde, die ihn zu einem bezahlten Instrument des Raubes an seinem eigene Land degradieren? Darin liegt die ideologische Ambiguität von Tsahal: Die interviewten Soldaten spielen die Rolle ihres "normalen menschlichen Selbst" sie inszenieren die Maske, die sie zur Vermenschlichung ihrer Taten geschaffen haben. Diese ideologische Mystifikation (bei der die ideologische Maske als "normales menschliches Inneres" präsentiert wird) erreicht ihren unübertroffenen ironischen Höhepunkt mit dem Auftritt von Ariel Sharon als friedlicher Bauer."

Auszug aus: Slavoj Zizek, Die bösen Geister des himmlischen Bereichs Der linke Kampf um das 21. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 2011, S. 244 ff, Leseempfehlung)

Donnerstag, 13. Oktober 2011

Ist Dr. Tilman Tarach ein freier Geist oder autoritätsgläubig?

"Aber seit dem 8. Mai 1945 gibt es in Deutschland keine Antisemiten mehr, es gibt nur noch „Israelkritiker“. Doch so wie der Antisemitismus in Adornos berühmt gewordenen Diktum als „das Gerücht über die Juden“ beschrieben wurde, so ist der Antizionismus das Gerücht über Israel." (Quelle: Lizas Welt: Der Hass auf die Freiheit)

Der das schreibt ist der promovierte Jurist und Autor Tilman Tarach, dessen Opus magnum "Der ewige Sündenbock" mit einem Geleitwort von Henryk M. Broder  in die Welt entlassen wurde und seither von den Einzigwahren Freunden Israels als Standardwerk gerühmt wird, das den Feinden Israels, sofern sie sich denn einer Zahnbehandlung unterziehen würden (was sie nicht tun, weil sie behandlungsscheu sind), für alle Zeiten die Weisheitszähne ziehen würde.


Ich will nicht unterstellen, dass der verehrte Dr. Tarach einen historischen Befund formulieren wollte, zumal Israel erst am 14. Mai 1948 gegründet wurde (in dubio pro reo). Diesen Satz darf man nicht auf die empirische Goldwaage legen; was Dr. Tarach anzielt, ist nicht mehr und nicht weniger als eine transempirische Wahrheit, die zutrifft, weil sie so formuliert ist, dass sie mit den Werkzeugen der Empirie nicht überpüft und widerlegt werden kann. Der Antisemit vor 45 ist der "Israelkritiker" nach 45 (also der Ewige Antisemit, so Broder); der Israelkritiker wird gleichgesetzt mit dem Antizionisten. Es handelt sich um eine Paraphrase eines Axioms, das von Broder im Deutschen Bundestag so formuliert wurde

Montag, 3. Oktober 2011

Dr. Clemens Heni ist zurück - und wie!

Nach der Ankündigung der Gründung des  Berlin International Center for the Study of Antisemitism hat Dr. Clemens Heni seine Hände nicht in den Schoß gelegt. Inzwischen steht die Website, Dr. Clemens Heni ist Gründungsdirektor und wird mutmaßlich von einem prominent besetzten Advisory Board unterstützt; ich glaube, er wird sie alle noch brauchen:

"The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA) will provide scholarly research.
The main focus of the institute is anti-Semitism in the 21st century, particularly hatred of Israel.
The purpose of the Center is to conduct high-profile scholarly research without being stuck in the ivory towers of academia." (Quelle)

Also ein starkes Ein-Mann-Gegengewicht zu dem ZfA. Damit schließt Dr. Clemens Heni eine schmerzliche Lücke, die dadurch entstanden ist, dass die Yale University The Yale Initiative for the Interdisciplinary Study of Antisemitism (YIISA) "gekillt" hat (Quelle, siehe auch hier und hier).

Nicht nur das.  Dr. Clemens Heni hat zusätzlich zu dem uns bekannten einen neuen Blog Clemens Heni/Wissenschaft und Publizistik als Kritik (clemensheni.net) eröffnet, der im www noch ein Schattendasein führt; ich wünsche ihm ein geneigtes und aufmerksames Publikum. Außerdem hat er einen Klein- und Eigenverlag, die EditionCritique, gegründet, in dem seine Bücher verlegt werden. Bisher wird dort Dr. Clemens Henis neues Opus Schadenfreude - Islamforschung und Antisemitismus in Deutschland nach 9/11 angeboten.  Das 416 Seiten starke Werk ist, so der Herausgeber, 

√ Das Buch zur „Islamdebatte“, √ Das Buch zum zehnten Jahrestag von 9/11, √ Das Buch zu Islamismus und Antisemitismus

und klärt u.a.

* Was machen deutsche Islamwissenschaftler tagsüber?, * Brauchen wir „mehr Kinder von den Klugen“ oder Kritik an den „klugen“ Deutschen? + vieles mehr

Natürlich, lieber Dr. Heni, brauchen wir eher Kritik an den "klugen" Deutschen als "mehr Kinder von den Klugen" (Kosten 19,90 €). Ich muss gestehen, dass ich immer ein bißchen beschwipst werde, wenn ich mich mit Dr. Clemens Heni beschäftige. Deshalb übergebe ich jetzt gerne das Wort an Martin Kloke, der auf der Achse des Guten dieses Werk besonnen rezensiert:  "Der unerbittliche Moralist". Martin Kloke hat bei der Lektüre ein "ungutes Gefühl" beschlichen und er vermutet, dass die Antwort darauf im "Individualpsychologischen" des Dr. Clemens Heni zu finden wäre. Was meinen Sie?

Wir dürfen erwarten, dass der unerschrockene Dr. Clemens Heni der letzte Leichtmatrose ist, der das lecke Schiff der sogenannten "kritischen" Antisemitismusforschung verlassen wird. Er wird darauf unermüdlich Wasser schöpfen wollen. - Auch Broder ist ein Antisemit. Ich könnte das Dr. Heni leicht beweisen. Er ist schon mal dem notorischen Antisemiten Harald Schmidt in den Allerwertesten gekrochen.