Freitag, 6. Mai 2011

Jauchzet! Frohlocket!

"Damit eines gleich klar ist: Ich freue mich unbändig über den Tod Osama Bin Ladens.... ich hätte auch gerne zusammen mit den Menschen am Times Square oder an Ground Zero über diesen Triumph der Humanität über das Prinzip totalitärer Massevernichtung gejubelt. Und ich empfinde es als eine Schmach und als tief beunruhigend, dass hier in Deutschland nicht einmal ein Anflug solchen Jubels zu entdecken war." (Richard Herzinger)

"Diese Verlogenheit, diese Besserwisserei, dieses unredliche Verdammen von angeblicher Gewissenlosigkeit ärgert mich zutiefst. Und, ganz ehrlich, meine Freude über Osama bin Ladens Tod wird dadurch nochmals verstärkt. Ein Feind der Menschheit wurde ausgelöscht. Recht so! ... Jetzt hilft nur eines: Sich erst recht über den Tod eines Menschenverachters freuen, den Erfolg bejublen. Und den USA einfach mal dankbar sein." (Christian Böhme)

"Grimmige Freude am Tod des Mörders ist angebracht.
In der deutschen Debatte über den Tod Bin Ladens überwiegt die Kritik an den USA. Ist es zu viel verlangt, grimmige Freude zu empfinden, dass der Mörder tot ist?" (Alan Posener)

"Jauchzet, frohlokket, auf, preiset die Tage, rühmet, was heute der Höchste getan! Lasset das Zagen, verbannet die Klage, stimmet voll Jauchzen und Fröhlichkeit an!
Dienet dem Höchsten mit herrlichen Chören,
laßt uns den Namen des Herrschers verehren!
" (Johann Sebastian Bach)

Glücklich das Land, in dem man heiß und innig diskutiert, welche Gefühle angesichts des long goodbye des Fürsten der Finsternis "angebracht" sind, "nicht zuviel verlangt". Hier gibt es offenbar ein Minimum. Gut, dieses Faß haben zuerst deutsche Bedenkenträger gegen Angie Darling aufgemacht. Beeindruckend ist jedoch das Roll-Back mit over-kill-Qualitäten durch die Einzigwahren Freunde Israel. Ich verlinke hier nicht auf die Achse des Guten, schauen Sie dort selbst nach. 

Ich habe dazu in Kommentaren auf dem Autoren-Blog "Starke Meinungen" zu Leitartikeln von Alan Posener, Michel Friedman und Christian Böhme geschrieben: 
  
Darüber kann man sich freuen, herzlich oder grimmig oder verschämt; das wird m.E. weniger durch externe oder internalisierte Moralsysteme gesteuert, sondern durch Gefühle der persönlichen Bedrohung und der Erleichterung darüber, eine Bedrohung unschädlich gemacht zu haben. Jeder mag für sich prüfen, wie weit das für ihn zutrifft. 
 
Es ist nicht uninteressant, zu beobachten, wie “Parteien” (hier bei Starke Meinungen die Heilige Dreifaltigkeit Posener-Friedman-Böhme) Gefühle formatieren und reglementieren wollen, ... mind-control machen wollen. 

Müssen wir eigentlich, was Gefühle angeht, jetzt in Reih und Glied antreten? Präsentiert das Gefühl! Augen gerade aus! Stillgestanden! Rechts um! Marsch! Stillgestanden! Gefühl ab! Rührt Euch ...
Gefühlslager mit den jeweils richtigen Gefühlen treten gegeneinander an. 

Über die erste (gefühlsmäßige) Reaktion hinaus will ich jedoch auch befragen dürfen, warum es zur politische Entscheidung kam, Osama zu exekutieren anstatt ihn gefangen zu nehmen und ihm den Prozeß zu machen. Offenbar war nach den neuesten Berichten über das Geschehen ein “finaler Rettungschuß” nicht zwingend notwendig (http://www.spiegel.de/politik/.....63,00.html); eine AK-47 und eine Pistole sollen sich “in Reichweite” des Fürsten der Finsternis befunden haben; trotz dessen übernatürlichen dämonischen Kräften hätten meiner bescheidenen Meinung nach bestausgebildete Navy-SEALs in der Lage sein müssen, diesen alten, unsportlichen, aus dem Schlaf gerade aufgeschreckten Mann in seinem Schlafzimmer zu überwältigen. Da die Situation offenbar nicht “alternativlos” war, gilt dann immer noch, Herr Böhme, Hauptsache, der Teufel ist in die Hölle gefahren, die Welt ist damit besser? Das wäre dann Mittelalter, statt Politik und Recht haben wir dann Exorzismus, Teufelsaustreibung, magisches Weltverständnis. Wenn ich Sie richtig verstehe, soll angesichts der einzigwahren Reaktion des Jauchzens und Frohlockens ungebührliches Infragestellen verstummen? 


Überflüssig und fragwürdig finde ich Alan Poseners These des “gerechten Krieges”. Gewiß hat die Weltmacht Osama bin Laden dem Westen spektakulär den totalen Krieg erklärt. Nachvollziehen kann ich jedoch auch die grundsätzlichen Gefühle der Bedrohung und Ohnmacht, der sich Araber und Muslime durch den Westen ausgesetzt fühlen, aus der dann Desperados ihre vezweifelten radikalen Folgerungen gezogen haben. Nicht die Türken stehen vor Wien, sondern westliche Mächte und Armeen im Dar al Islam (Haus des Islam); von der Täuschung und Enttäuschung der Arabischen Ambitionen, wie von Lawrence von Arabien beschrieben, über die Divide und Impera-Politik nach Zerschlagung des ottomanischen Reiches, Sykes Picot Abkommen, Balfour-Deklaration, Expansion des Zionismus, westliche Interessen- und Interventionspolitik z.B. gegenüber Mossadegh, Instrumentalisierung der Muslime im Kampf gegen den gottlosen Kommunismus und gegen eher säkulare, nationalistische Bewegungen und Regimes in der arabischen Welt (http://www.br-online.de/bayeri.....365393.xml), dabei der Pakt mit dem Teufel des Wahhabismus, kurzum westliche Ordnungs- und Befriedungspolitik (peacemaker) im Dar al Islam, einer auf allen Ebenen unterlegenen Welt. Trotzdem wirkt der “Westen” wie ein Zauberlehrling. Ich denke, man wird noch sortieren müssen, was hier gerecht und nicht ganz so gerecht ist, was an Unmut der Muslime berechtigt und was schieres Ressentiment ist. Dass die armen Teufel nicht auf Augenhöhe und mit offenem Visier kämpfen können, sich nicht gleich in Reih und Glied auf dem Schlachtfeld zum Abschuß und shock and awe aufstellen, ist für mich auch irgendwie nachvollziehbar (wir könnten vielleicht mal ähnlich primitiv agieren, wenn die Aliens kommen und hier für Ordnung sorgen wollen).

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