Dienstag, 24. November 2009

Leseempfehlung: Jorge Luis Borges, Deutsches Requiem

7 Seiten, die ca. 1.400 Seiten von Jonathan Littell aufwiegen. Meinem schlaflosen Freund Alex Feuerherdt a.k.a. Lizas Welt gewidmet.

"Siehe, er wird mich doch erwürgen, und ich habe nichts zu hoffen: doch will ich meine Wege vor ihm verantworten." Hiob, 13:15

"... Wer mir zuzuhören weiß, wird die Geschichte Deutschlands und die künftige Geschichte der Welt verstehen. Ich weiß, dass Fälle wie meiner, die heute noch erschreckende Ausnahmen sind, sehr bald trivial sein werden. Morgen werde ich sterben, aber ich bin ein Symbol der kommenden Generationen. ...
Der Nazismus ist seinem Wesen nach eine moralische Angelegenheit: Man legt den alten verrotteten Menschen ab, um sich in den neuen Menschen zu kleiden. In der Schlacht ist diese Mutation gewöhnlich ... nicht so im dumpfen Kerker, wo das hinterhältige Mitleid uns mit uralten Zartheiten versucht ...Schon vor vielen Jahren hatte ich begriffen, daß in der Welt kein Ding ist, das nicht Keim einer möglichen Hölle wäre; ein Gesicht, ein Kompaß, eine Zigarettenreklame können einen um den Verstand bringen, wenn man es nicht fertig bringt, sie zu vergessen. Muß nicht ein Mensch verrückt werden, vor dessen inneren Auge ständig die Landkarte von Ungarn steht? Ich beschloss, die Disziplinierungsordnung in unserer Anstalt nach diesem Prinzip auszurichten und ... Ich weiss nicht, ob Jerusalem begriffen hat, dass ich ihn vernichtete, um mein Mitleid zu vernichten. In meinen Augen war er kein Mensch, nicht einmal ein Jude; er hatte sich in das Symbol einer verabscheuten Zone meiner Seele verwandelt. Ich litt mit ihm Todesqualen, ich starb mit ihm, ich habe mich gleichsam mit ihm zugrunde gerichtet; deshalb war ich erbarmungslos."

Es gibt noch einiges anderes bedenkenswertes zu lesen. Borges schließt

"...Wenn der Sieg, die Ungerechtigkeit und das Glück nicht für Deutschland sind, mögen sie es für andere Nationen sein. Soll es den Himmel geben , auch wenn unser Platz die Hölle ist.
Ich betrachte mein Gesicht im Spiegel, um zu wissen, wer ich bin, um zu wissen, wie ich mich in ein paar Stunden verhalten werde, wenn ich dem Ende begegne. Mein Fleisch mag Angst fühlen, ich nicht."

(Aus: Jorge Luis Borges, Erzählungen, Das Aleph)

Mag jedoch keiner glauben, dass ich mit diesem Hinweis den Fisch im Wasser ertränkt habe. Ein paar zusätzliche Anstrengungen gibt es noch für jeden einzelnen zu verrichten.

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