Samstag, 24. Juli 2010

Summertime in Potzdam, hoppla in Potsdam, oder doch Potzdam?

Rolf Behrens a.k.a. "Claudio Casula" macht eine wohlverdiente schöpferische Pause, Bernd Dahlenburg will auf Castollux nur noch bis zum 9. August "wüten", bevor er dann bis zum 18. August offline leben will (was mach ich nur in dieser Zeit?), Henryk M. Broder macht sich mit Singapur vertraut,  um von dort best practises für Neukölln und Duisburg-Marxloh mitzubringen - die einzigen, die nicht ruhen und ihre Hände in den Schoß legen, sind die Siedler und ihre fellow traveller, aber die sind ein richtig marginales Phänomen, wie Henryk richtig ausgeführt hat, nämlich "Der Nahostkonflikt ist ein beschissener kleiner [sehr klein] Provinzkonflikt, der hier [in Deutschland] zur Oper [riesengroß] in der Augsburger Puppenbühne [sehr klein] aufgeblasen [unendlich groß] wird."

Okay, also auch Zeit für mich, mich mal zu entspannen. Glücklicherweise ist Potsdam, die Stadt Friedrichs des Grossen, des Musikalischen Opfers, des Tages von Potsdam und der Potsdamer Konferenz, ein Ort, von dem man gar nicht verreisen muss: wer Holland erleben will, tut gut, das Holländische Viertel zu besuchen, es gibt hier eine russische Siedlung, die Alexandrowka, und auf dem "Berg" über der Siedlung die Alexander Newski-Kirche, wer das klassische Altertum idealtypisch erleben will, steigt auf den Ruinenberg, das ersetzt glatt eine beschwerliche Fahrt nach Pompeji; es gibt hier sogar Orientalismen wie die "Moschee", die Bismillah irRahman irRahim (im Namen des barmherzigen und gnädigen Gottes) als "Pumpenhaus" die Gärten und Fontänen von Sanssouci mit Wasser versorgte, oder das Chinesische Haus im Park Sanssouci.

Der schönste Ort Potsdams ist jedoch der "Heilige See", an dem Günther Jauch, Wolfgang Joop und Dr. Mathias Döpfner zu Recht ihre Residenzen errichtet haben. Der Dichter John von Düffel hat heute in der WELT eine Liebeserklärung an den Heiligen See in Potsdam geschrieben, "Die Frau vom See". Der Heilige See ist in der Tat ein Paradies, wie John von Düffel beschreibt, das jedoch nur zugänglich und erträglich ist, wenn man den horror nudorum alter Säcke, die ihre "Rechte" bereits in der Ostzone usurpiert haben, übersteht und überlebt:

"Das Paradies ist allerdings kein Geheimtipp. Egal, wann man kommt, Adam und Eva sind immer schon da, vor allem Adam, viele Adams, und meist nicht mehr die Jüngsten. Nackte alte Männer lagern unter Bäumen hingestreckt, im Vollbewusstsein angestammter FKK-Tradition aus DDR-Vorzeiten, oder stehen, Hände in die Hüften gestemmt, breitbeinig bäurisch mit über der Grasnarbe thronendem Gemächte und beschauen die Wiesen und Wasserflächen mit Schöpferblick. Sie lagen und standen schon immer so da, möchte man meinen, vielleicht sind sie hier sogar von den Bäumen gestiegen, die betagten Herren des Nudismus, ein fleischgewordener, schambewaldeter Skulpturengarten mit der Ursprünglichkeitsbehauptung deutscher Eichen, schütterem Haupthaar und hängenden Hinterbacken.
Wer daran vorbei zu huschen versucht mit Badehose oder Handtuch um die Hüften, verletzt sehr spürbar alte Rechte. Unter den Hüllenlosen fühlt man sich mit maskiertem Genital wie ein Verbrecher, begeht verkleidet und verklemmt eine Art zweiten Sündenfall: Denn sie sahen, dass er nicht nackt war und schuldig des unbefugten Betretens!"

Der Dichter John von Düffel weiss ebenso gut wie ich, dass das Paradies für uns Nachgeborene immer ein lost paradise ist; wir sind unwiderrruflich vertrieben. John von Düffel stellt dies wunderbar dar, wenn er damit endet, dass die "Frau im See", die er in aller Herrgottsfrühe sieht, nicht mehr wieder kommt, auch wenn er die Badehose anzieht und sein Geschlecht dezent verhüllt. Adam und Eva haben vom Baum der Erkenntnis gegessen, haben ihre Geschlechtlichkeit und Triebhaftigkeit erkannt. Was also soll es und was hilft es, wenn John von Düffel gegen alte Männer, das Altern, den Tod, Sex und "thronende Gemächte", an denen er mit maskiertem Genital "vorbei zu huschen" versucht, wütet und sie verurteilt? Ich empfehle eine belle indifference beim Huschen über die Grasnarben am Heiligen See oder eine sanfte ergebene Elegie wie die aus dem 1. Petrusbrief.

"Denn alles Fleisch, es ist wie Gras
und alle Herrlichkeit des Menschen
wie des Grases Blumen.
Das Gras ist verdorret
und die Blume abgefallen.
"
die von Johannes Brahms bewegend im Deutschen Requiem intoniert wurde.

Ich selbst liebe den See am meisten zu den Zeiten, wenn ich ihn ganz alleine für mich habe:

Einstieg in den Heiligen See
Ausstieg aus dem Heiligen See






















Eicheln am Heiligen See


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Es ist doch schön zu lesen, wie der "Antisemitismus" mit der chinesischen Speisekarte bekämpft wird ! Auch das bringt der Meister Henryk Marcin seinem halb-gebildeten Publikum noch bei ... schade dass der Meister alias 'Leif Ericsson' seine Vorstösse in nordische Welten nicht mehr weiter verfolgt ... (gibt es ein asiatisches Pseudonym für ihn ?)

Oscar Mercator hat gesagt…

Der gute Mann glaubt Punkte machen zu können, indem er sich gegen "Akademiker" abgrenzt.
http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article
/happy_little_vegemites_9/
Die Intelligenz des kleinen Mannes.